April 2019 – Vor ein paar Tagen bin ich beim Ausmisten meiner Unterlagen auf meine Abizeitung gestoßen. 10 Jahre ist es mittlerweile schon her… Herzstück dieser Zeitung ist die Beschreibung jedes einzelnen Schülers, die von befreundeten Mitschülern verfasst wurden. Mit anderen Worten – Meine Freunde hielten mir den Spiegel vor und da wir im Freundeskreis nicht gerade zimperlich miteinander umgingen, fand ich am Tag des Abiballs eine humorvolle, freche, überspitzte, aber im Kern eine absolut zutreffende Charakterbeschreibung von mir vor.
Beim erneuten Lesen des Textes stolpere ich über folgende Passage: „Eigene Meinung? Eher nicht so vorhanden. Philipp ist auch wohl ganz zufrieden mit der Meinung anderer und übernimmt diese einfach. Ist ja eh sicherer und so.“
Was soll ich sagen, die Aussage traf zu 100 Prozent zu, auch wenn ich nicht gerade stolz auf diese Eigenschaft war. Den Großteil meines Lebens habe ich damit verbracht, bloß nicht anzuecken, meinen Mitmenschen alles recht zu machen und meine eigenen Bedürfnisse komplett hinten anzustellen.
Mir kommen zahlreiche Verhaltensweisen aus meiner Kindheit im Umgang mit meinen Freunden wieder in den Sinn, die genau das belegen. Sei es das Abspielen von Musikstücken, die mir komplett missfielen, wovon ich jedoch wusste, dass diese Songs genau den Geschmack meiner Freunde entsprachen oder gerade „in“ waren. Auch schön, meine Lieblingsantwort auf die Frage „Philipp, was wollen wir heute machen?“ – „Mir egal, entscheide du.“
Rückwirkend wirken diese Verhaltensweisen natürlich total sinnlos und lächerlich, aber dahinter versteckt sich ein gesellschaftliches Thema, das nahezu jeden von uns betrifft – Die Angst vor Ablehnung, wenn wir uns in der Gesellschaft so geben und zeigen, wie wir wirklich sind. Wie oft haben wir uns im Beisein Anderer verstellt, obwohl wir eigentlich tief in uns das Gegenteil verspürt haben?
Dieser innere Zwang, ein Bild von uns zu geben, das eigentlich gar nicht dem wahren Kern unseres Wesens entspricht, ist weit verbreitet. Das fängt beim Tragen „moderner“ Kleidung an, geht über den gezwungenen Gang ins Fitnessstudio, um den Schönheitsidealen zu entsprechen und hört beim Erlernen eines ungeliebten, aber „gesellschaftlich angesehenen“ Berufes auf.
„We spend money that we do not have, on things we do not need, to impress people who do not care.“ (Will Smith)
Die Frage, die ich mir seit einiger Zeit stelle: Möchte ich ein normales, gesellschaftlich angesehenes, angepasstes Leben oder ein selbstbestimmtes, meinen Werten entsprechendes, authentisches, glückliches Leben führen?
Die Antwort liegt auf der Hand, obwohl das Ablegen dieser fest einstudierten „Anpassungsgewohnheiten“, Masken und Rollen gar nicht so einfach ist und auch ziemlich unbequem sein kann. Gefühle wie Scham, Angst oder das Aufkommen von Fragen wie „Was sollen die anderen denken?“ sind bei diesem neuen Weg völlig normal, aber eben auch alles andere als angenehm. Seinen Mitmenschen mit absoluter Ehrlichkeit und Authentizität zu begegnen erfordert viel Mut, wird zwangsläufig nicht jedem gefallen und kann folglich auch zu Ablehnung führen.
Ich kann es nicht jedem Recht machen, muss auch nicht jedem gefallen und ich bin auch nicht auf dieser Welt, um nach den Erwartungen der Anderen zu leben. Auch wenn ich durch diesen neuen Lebensstil die ein oder andere „Freundschaft“ verlieren könnte, so ist der Gewinn durch ein ehrliches, authentisches Verhalten viel größer – Ich bin von Menschen umgeben, die meinen wahren Charakter schätzen und mich so annehmen, wie ich wirklich bin. Kein Verstellen, keine Rollen, keine gesellschaftlichen Zwänge, keine faulen Kompromisse mehr.
„The faker you are, the bigger your circle will be. The realer you are, the smaller your circle will be. These are well known facts.“ (Unbekannt)
Was in der Theorie so einfach klingt, fällt in der Realität natürlich deutlich schwerer. Es gibt nach wie vor noch viele Situationen, in denen ich bewusst oder unbewusst noch nach meinen alten Mustern handele. Aber ich nehme diese Situationen mittlerweile deutlich bewusster wahr, setze mir kleine Ziele und fühle mich nach dem Erreichen eines weiteren Meilensteins deutlich freier, leichter und wohler in meiner Haut. Ich sehe es als spannendes Experiment und lerne mich dabei immer besser kennen.
Was will ich wirklich? Nach welchen Werten möchte ich leben? Wofür schlägt mein Herz wirklich? Diese und noch viele weitere Fragen stellen sich automatisch, wenn man sich dazu entschließt auf sein Herz zu hören und sein eigenes Leben zu führen.
Wofür entscheidest Du dich? Normal oder glücklich?
Herz on!